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Sehr geehrte SNUG-Mitglieder,
In vielen Bereichen wünschen sich Unternehmen Hochleistungs-Teams. Teams, die perfekt zusammenarbeiten, die berühmte Extrameile gehen, tolle Ergebnisse abliefern, ihre Ziele weit übertreffen. Kreativ sollen sie sein, unermüdlich, permanent motiviert. Die Realität ist leider: solche Teams sind die Ausnahme, nicht die Regel.
Am vergangenen Samstag durfte ich ein solches Team in Aktion erleben, und ich möchte in diesem Beitrag einige Aspekte beschreiben, die für den Erfolg eines solchen Teams wesentlich sind. Das Team vom vergangenen Samstag: Janine Jansen (Violine) und Alexander Gavrylyuk (Klavier), mit einem Program aus Werken von Schumann, Brahms und Cesar Franck, im Prinzregententheater in München. Ein umwerfender Abend, ein phantastisches Konzert. Überraschend, ergreifend, erschütternd, erhebend. Und selbstverständlich: handwerklich perfekt dargeboten!
Den Anstoß zu meinen Überlegungen gab ein befreundeter Pianist, der Pianisten vom Range eines Alexander Gavrylyuk einmal als "Edel-Begleiter" bezeichnete. Gavrylyuk ist einer der großartigsten Pianisten unserer Zeit, ein begnadeter Solist. Warum spielt so jemand den Begleiter in einem Kammermusik-Ensemble? Ist das nicht unter seinem Niveau? Ich meine: nein, ganz im Gegenteil! Kammermusik-Ensembles sind Hochleistungs-Teams. Das sie als solche funktionieren, also nicht nur die richtigen Töne im richtigen Tempo spielen, sondern tatsächlich gemeinsam großartige Musik erschaffen, bedarf einiger Punkte, die ich im Folgenden erläutern möchte.
Engagement: Team-Mitglieder müssen ein ähnlich hohes Maß an Energie investieren. (Ich rede nicht von Leistungsfähigkeit; das ist ein anderer Aspekt, siehe nächster Punkt.) Nichts demotiviert ein Team so sehr wie ein Team-Mitglied, das mit einem völlig anderen Energie-Niveau an die Arbeit herangeht. Egal ob zu viel oder zu wenig Energie: beides ist ein Problem.
Ich persönlich bin - nicht nur als Musiker - Perfektionist. Wenn ich Musik erarbeite, dann bin ich zu 100% konzentriert. Ich analysiere ständig mein Spiel, versuche es zu verbessern oder Alternativen zu erarbeiten. Ich möchte exakt das umsetzen, was im Ensemble besprochen wurde. Es darf gerne humorvoll zugehen, aber bitte immer mit Konzentration und Fokus. Ein Ensemble-Mitglied, das unvorbereitet zur Probe kommt, unkonzentriert spielt, ständig unterbricht, keine Fortschritte macht, treibt mich in den Wahnsinn - und umgekehrt!
Wohlgemerkt: ich behaupte nicht, meine Art zu proben sei die beste oder einzig richtige! Aber ich weiß: ich kann nur in einem Ensemble Höchstleistung bringen, in dem ich mich nicht ständig anpassen und verstellen muß. Und das ist im Büro ganz genauso. Es gibt Kollegen, mit denen ich jederzeit glänzend zusammenarbeiten kann, weil sie mit dem gleichen Engagement an Aufgaben herangehen wie ich. Und es gibt solche, bei denen das nicht der Fall ist. Und nochmal: diese Kollegen können trotzdem erfolgreich in einem anderen Hochleistungs-Team arbeiten - mit Kollegen, die wiederum zu ihnen kompatibel sind.
Leistungsfähigkeit: Dieser Aspekt ist mit "Kondition" vielleicht am treffendsten übersetzt. Ein Beispiel: Der Bergsteiger und Abenteurer Reinhold Messner erzählte mir einmal von einer Expedition in der Antarktis, 1989 erreichte er zusammen mit Arved Fuchs zu Fuß den Südpol. Die persönliche Kompetenz und auch das Engagement von beiden war unzweifelhaft auf höchstem Niveau. Trotzdem wäre die Expedition fast gescheitert. Denn trotz bester Vorbereitung waren beide in den ersten Tagen nach jeweils einigen Stunden Fußmarsch dermaßen erschöpft, daß das Erreichen ihres Ziels unvorstellbar erschien. Das Gewicht der Schlitten, die beide zogen, konnte dafür nicht der Grund sein; das hatten sie ja trainiert! Es stellte sich aber heraus, daß die jeweilige Leistungsfähigkeit unterschiedlich war: das natürliche Schritttempo der beiden war einfach sehr unterschiedlich. So mußte der eine sich ständig bremsen, der andere sich ständig beeilen. Beides (!) ermüdet. Die Lösung war dann übrigens einfach: der Schnellere bekam mehr Gewicht auf seinen Schlitten, so glich sich das Schritttempo an, und für beide wurde es deutlich einfacher und die Expedition schließlich ein Erfolg.
Im Team ist ein Zeichen der Leistungsfähigkeit das Arbeitstempo bzw. die Arbeitszeiten. Bei gleicher persönlicher Kompetenz und gleichem Engagement kann das Arbeitstempo trotzdem sehr unterschiedlich sein. Analog zur Antarktis-Expedition muß man dann z.B. die Aufgaben im Team so umverteilen, daß nicht einer ständig auf andere warten muß.
Persönliche Kompetenz: Es muß nicht jeder alles können. Teams funktionieren u.a. auch, weil sich die Team-Mitglieder ergänzen. Aber: jeder muß wissen, was die eigenen Kernkompetenzen sind. Und die muß jeder eigenverantwortlich üben und weiterentwickeln.
In einem Kammermusik-Ensemble ist das in erster Linie das jeweilige Instrument. Nun kann man zwar ein brillianter Pianist sein, aber gleichzeitig eine sehr lässige Einstellung zur Proben-Arbeit haben. Wenn alle im Ensemble so sind, kann dabei durchaus brauchbare Musik herauskommen. Das gleiche gilt auch umgekehrt; zahlreiche Laien-Ensembles erreichen durch ihr schieres Engagement beachtliche Ergebnisse. Aber nur, wenn höchste persönliche Kompetenz und größtes Engagement zusammentreffen, kann wahrhaft außergewöhnliches entstehen!
Vor allem deshalb mag ich den Begriff des "Edel-Begleiters" nicht. Zum einem gibt es in der Kammermusik den "Begleiter" als sozusagen untergeordnete Rolle genausowenig, wie es im Team ein "weniger wichtiges" Teammitglied gibt. Zum anderen gibt es da diese wahrhaft magischen Momente im Konzert, die Augenblicke, die einem den Atem stocken lassen, die Sprache verschlagen, die Tränen in die Augen treiben, die Momente, in denen es im Publikum plötzlich vollkommen still wird und die Zeit stillzustehen scheint. Diese Magie entsteht genau und ausschließlich im Zusammenwirken von höchster persönlicher Kompetenz und höchstem Engagement.
Und diese Magie wünschen wir uns ja auch von unseren Teams im Unternehmen. Nicht nur das Abarbeiten von Aufgaben, sondern die ganz besonderen, unerwarteten und nicht planbaren Ergebnisse. Das erreichen wir nur, wenn wir unsere besten Mitarbeiter nicht in Sonder-Rollen isolieren, sondern ganz bewußt zulassen, daß sie sich in Teams zusammenfinden, und Freiräume schaffen, damit aus solchen Teams Unerwartetes und Besonderes entstehen kann.
Flexibilität: Die ist, meiner Meinung nach, die Kernkompetenz für Teamfähigkeit. Ich habe mit einigen Musikern gespielt, die hoch kompetent und äußerst engagiert waren, die jedoch so vollkommen überzeugt von der 'Richtigkeit' ihrer Interpretation waren, daß es ihnen nur darum ging, den anderen ihre Weisheit zu vermitteln. In einem großartigen Ensemble geht es aber immer darum, gemeinsam die Musik zu entdecken, neugierig zu bleiben, Neues auszuprobieren. Genauso geht es bei Teams im Unternehmen immer auch darum, voneinander zu lernen, sich gegenseitig zuzuhören und zu respektieren, natürlich auch einmal Ideen respektvoll abzulehnen. Ohne Flexibilität ist Teamarbeit nicht möglich. Wichtiger noch: Flexibilität ist nicht erlernbar. Ein Mitarbeiter, der aufgrund der Persönlichkeitsstruktur nicht flexibel ist, wird es auch nie sein. Er/Sie hat dann aber sicher andere Stärken, die auf andere Weise ein Gewinn für ihr Unternehmen sein können.
Der mit Abstand beste Tipp, ein Hochleistungs-Team zusammenzustellen, den ich je gehört habe ist relativ einfach: Schaffen Sie eine Situation, in der Mitarbeiter ohne direkten Bezug zu ihrer Arbeit zwanglos und unreguliert zusammenkommen und viele verschiedenen Optionen haben, Dinge zu tun oder zu lassen. Veranstalten Sie z.B. ein Grillfest und sorgen Sie für diverse Spiele, Sitzgruppen usw. Dann lassen Sie die Kollegen ohne jede Anleitung oder Erklärung einfach machen. Sie werden sehen, daß sich ganz von alleine Gruppen von Kollegen zusammenfinden. Einzelne Kollegen werden kurz bei einer Gruppe sein und dann wieder gehen. Nach einer Weile werden sich einige stabile Gruppen herausbilden, und die können ggf. zu ihren Hochleistungs-Teams werden.
Der wesentliche Punkt ist dieser: Ein Hochleistungs-Team muß sich selbst eigenständig finden. Man kann ein solches Team nicht künstlich zusammenstellen. Man kann nicht ein beliebiges Team durch Training oder Team Building-Maßnahmen in ein Hochleistungs-Team verwandeln.
Was man hingegen als Manager tun kann, ist:
- Dem Team in einem sinnvollen Rahmen alles zur Verfügung stellen, was es für seine Arbeit braucht
- Mikro-Management konsequent unterlassen
- Ziele klar formulieren - und sich dann zurückziehen und das Team arbeiten lassen
Ein prominentes Beispiel für die Relevanz dieses Themas ist die Agile Entwicklung. Viele Unternehmen implementieren SCRUM-Teams. Und häufig schon wurde mir in Diskussionen bestätigt, daß die Mitglieder in solchen Teams tatsächlich in mehr als einem SCRUM-Team arbeiten, daß von Sprint zu Sprint Teammitglieder wechseln, und daß die Besetzung dieser Teams von außen - vom Management - bestimmt wird. Ein SCRUM-Team erreicht seine Leistungsfähigkeit jedoch nicht aufgrund der Organisation in Sprints, sondern weil es, im Idealfall, ein echtes Hochleistungs-Team ist: selbstorganisiert und organisch gewachsen. Wenn Sie also SCRUM implementieren wollen, dann gehört dazu auch der Mut, echte Teams sich bilden zu lassen und das Mikro-Management aufzugeben.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Schnell, Senior Platform Evangelist
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